Das Jahr neigt sich langsam, aber sicher dem Ende. Auch wenn sich nach vier Jahren Berufserfahrung in der PR so einiges an Routine und Vorhersagbarkeit eingeschlichen hat, ist die Branche für mich nach wie vor trotzdem nicht weniger aufregend. Im Agenturalltag schleicht sich schließlich jede Woche irgendetwas Neues ein. Zwar ist es gerade das Maß an Routine, das einem dann und wann etwas ruhigere Tage verspricht, doch es sind die neuen Erfahrungen, die einen lernen lassen. Was diese Erfahrungen für mich sind, möchte ich gerne mit euch teilen.
Je größer das Standing von Branchen-Experten, desto kniffliger die PR-Strategie
Diese Formel ist bei weitem nicht auf jeden Kunden gleichermaßen übertragbar.
In diesem Jahr habe ich jedoch die Erfahrung gemacht, dass je größer (und besser) die Reputation einer Spokesperson in der jeweiligen Branche ist, desto schwieriger ist es, eine Strategie mit bewährten Mitteln zu gestalten. Das liegt zum einen daran, dass es sich bei solchen Experten fast schon um „Branchenstars“ handelt – sie kennen bereits viele Medienvertreter (und umgekehrt), sie pflegen aufgrund ihres Status Kontakt zu Medienunternehmen und Interessensvertretungen und sind allgemein exzellent in ihrer Industrie vernetzt. Das bedeutet nicht nur, dass sie nicht länger bekannt gemacht werden müssen, sondern auch, dass sie eine sehr genaue Vorstellung von Medienansprachen und Themen haben – und diese durch ihren Netzwerkstatus ggf. auf Branchenveranstaltung selbst in die Wege leiten.
Das war für mich in diesem Jahr neu, da ich direkt mit solch einem Branchenstar zu tun hatte, der direkt in die Ausführung der PR-Strategie involviert war. Ändert sich doch die Rolle der PR-Agentur hier mehr von der kreativen Kraft hin zum verlängerten, ausführenden Arm des Branchenexperten. Die Strategie wird nicht von Grund auf neugestaltet, sondern muss sich (um erfolgreich zu sein) in die Vorstellungen und Pläne der Spokesperson einfügen – mehr als vielleicht bei Kunden, die komplett neu in der PR sind.
Das Erwartungsmanagement ist hierbei anders, für mich jedoch manchmal angenehmer im Gegensatz zu PR-Neulingen: Klare Fronten, klare Erwartungen und ein Beratungsansatz, der vom Schema-F abweicht. Diese Art der Beratung regt zum Neudenken an!
Achtet auf eure Bestandskunden
Auch wenn die Bestandskundenpflege lange keine bahnbrechende Praxis mehr ist, wurde sie für mich in diesem Jahr jedoch deutlicher denn je.
Gerade in Zeiten, in den die Personaldecke dünn ist (Krankheit, Urlaub etc.) und der Antrieb neue Kunden zu gewinne unverändert hoch – und im besten Falle erfolgreich — ist, verändert sich die Arbeitsbelastung. Neue Kunden sind in ihrer Anfangsphase (besonders dann, wenn sie vorher noch nie mit PR in Berührung kamen) betreuungsintensiv. Gerade die Arbeit am Anfang ist für mich persönlich schön und erfüllend, kann ich doch meine Leidenschaft für den Beruf hier besonders aktiv ausleben. Jedoch bedeutet das bei geringem Personalstand auch, dass Workload umverteilt werden muss – was zum Nachteil langjähriger, erfahrener und zahlungskräftiger Kunden, die der Agentur schon über Jahre vertrauen, werden kann.
Doch besonders in wirtschaftlich unsicheren Zeiten, sollten wir alles daransetzen, die Dankbarkeit und das Vertrauen der Bestandskunden nicht zu enttäuschen. Auch wenn das bedeutet einen neuen Auftrag abzulehnen. Dass im schlimmsten Falle sowohl ein Neukunde nach sechs Monaten kündigt und sich ein Bestandskunde eine andere Agentur sucht, sollte nicht nur ein Worst-Case-Szenario sein, sondern eine Warnung, im New-Business-Prozess, Prioritäten zu setzen.
Kleines Team, hohe Transparenz: durch regelmäßige Team-Meetings Informationsfluss sicherstellen
Ein kleines Team erfordert nicht nur Umdenken im Prozess der Kundengewinnung, sondern auch in der internen Kommunikation und Unternehmensführung.
Besonders deutlich wird das durch die Gespräche, die man mit Kolleginnen und Kollegen im Büro führt und allenthalben an Informationen gelangt, die für das gesamte Team relevant sein könnten – jedoch nur mit einem Bruchteil geteilt werden. Natürlich steht nicht zur Diskussion, dass es Informationen gibt, die nur für Leadership-Teams gedacht (und geeignet) sind, jedoch darf um keinen Preis der Eindruck entstehen, dass dem Team Informationen vorenthalten werden.
Die Folgen können fatal sein: Die Belegschaft kann sich aus Entscheidungsprozessen ausgeklammert fühlen, Spekulationen können Gerüchte schaffen, es kann zu Missgunst unter Arbeitnehmenden kommen, gegenüber jenen Personen, die die Informationen „exklusiv“ erhalten. Solche Informationen können etwa Quartalszahlen, New-Business-Abläufe oder Bewerbungsprozesse sein.
Mein wichtigstes Learning in diesem Jahr, bezüglich solcher (ggf. fehlender) Informationsprozesse ist, die Information aktiv und vehement einzufordern. Sei es in wöchentlichen Team-Meetings oder in, eigens dafür geschaffenen, Terminen. Ein kleines Team muss um jeden Preis, so gut es geht, wissen, wie es aktuell um seinen Arbeitgeber steht. Das beugt Unsicherheiten und Spekulationen vor und steigert zusätzlich das Teilhabeempfinden an Entscheidungsprozessen.
Ich kann für mich nur sagen, dass es ein durchaus ereignisreiches und lehrreiches Jahr war und dass ich mich freue, auf das, was 2024 für mich bereithält. Und für jede Person, die das liest, gilt: Teilt eure Learnings, Wünsche und Beobachtungen. Zusammen können wir Sachen verbessern!