Mitte 2019: Mein Studium neigte sich dem Ende und das Thema meiner Bachelorarbeit bedurfte nur noch einer konkreten Umsetzung. Ich wusste bereits, dass ich danach in die PR-Branche einsteigen wollte und informierte mich über meine Aussichten als Berufsanfänger. Als ich Ende 2019 die Zusage für ein Traineeship in Berlin bekam, da konnte ich noch nicht absehen, wie vielseitig der Beruf als PR-Berater ist – und welche Herausforderungen auf mich warteten. Mit mehr als zwei Jahren Berufserfahrung in der Industrie bin ich weniger grün hinter den Ohren und habe dazugelernt.
PR-Arbeit ist Erwartungsmanagement
Zu Beginn meiner Laufbahn als PR-Berater kam ich immer wieder mit den Aussagen „PR business ist people business“ und „PR-Arbeit ist Beziehungsarbeit“ in Kontakt. Das leuchtet ein, denn schließlich ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit der direkte Kontakt zu Kunden und Journalisten. Natürlich bemühen wir uns dabei immer um eine gute Beziehung, einen respektvollen Umgang und einen kompetenten Austausch. Heute denke ich, dass die Aussagen modifiziert werden müssen und mit einem Satz zusammengeführt werden können: „PR-Arbeit ist Erwartungsmanagement“.
Der Grund: In unserem Job kommt es vor allem auf das Erwartungsmanagement an, denn egal ob von Kundenseite oder aus Journalistenperspektive – in der PR-Beratung müssen wir vielen verschiedenen Erwartungen gerecht werden. Das beste Beispiel hierfür ist einerseits die Kundenerwartung, qualitative Veröffentlichungen zu organisieren und andererseits die Erwartung der Medienhäuser, sie nur dann zu kontaktieren, wenn wir eine gute Story zu bieten haben. Werden wir beiden Erwartungen gerecht, verbesserte sich unsere Beziehung beidseitig. Das heißt aber auch im Umkehrschluss: Werden wir den Erwartungen nicht gerecht, beispielsweise durch Massenversände und Telefonterror, verschlechtert sich die Beziehung. Dazu gehört jedoch auch, offen und ehrlich mit den Erwartungen umzugehen – selbst dann, wenn wir sie für nicht realistisch halten. Die Arbeit mit Menschen und ihren Haltungen gegenüber unserer Arbeit führt also nur dann zur guten Beziehung, wenn wir einen erfolgreichen Ausgleich zwischen allen Positionen finden.
Messbarkeit von PR kann leicht zum Streitthema werden
Gibt es eine einheitliche Größe und Vorgehensweise darin, PR-Arbeit zu messen? Zählt die monatliche Clipping-Anzahl generierter oder veröffentlichter Artikel – oder doch nur die Medienqualität? Ist die beste Lösung eine Kombination aus beiden? Diese Fragen machen ein recht großes Fass auf und laden dazu ein, stundenlange Grundsatzdebatten zu führen.
In den letzten zwei Jahren Berufserfahrung konnte ich erkennen, dass PR am häufigsten an der Reichweitenstärke und den veröffentlichten Artikeln gemessen wurde. Das ist verständlich, schließlich kann man sich unter einer Reichweite von 1.000.000 Nutzern und 12 veröffentlichten Beiträgen etwas Genaues vorstellen. Es lässt sich gut präsentieren und hilft Kommunikationsreferenten den Einsatz einer PR-Agentur zu rechtfertigen. Viele Kunden möchten den Erfolg auch durch die Anzahl an Backlinks, Leads zu ihrem Produkt oder erhöhtem Webseiten-Traffic in Produktnähe messen – das ist in der Praxis schwer umsetzbar, denn wer kann schon genau sagen, welcher Traffic durch ein spezielles Clipping kam. Für mich ist ein Clipping dann richtig bemessen, wenn Faktoren wie die Zielgruppe, Reichweite und der Textinhalt berücksichtigt werden. Gehen positiver Tonus und richtige Zielgruppe mit einer nachvollziehbaren Reichweite einher, werden wir in unserer Arbeit einmal mehr dem Grundsatz Qualität über Quantität gerecht.
Dieser Grundsatz, bedarf scheinbar noch viel Erklärungsarbeit, denn geht es um die „richtige“ Messung in der PR-Beratung, liegt die Lösung wie immer irgendwo zwischen den Stühlen. Die Diskussion wird dann meist schnell zum Streitobjekt, wenn im Hintergrund Vorgaben herrschen, die auf einer exakten Messung beharren und keine andere Interpretation als Zahlen zulassen. Diese Herausforderung führt uns zurück zum Erwartungsmanagement und fordert in der Beratung viel Fingerspitzengefühl und Argumente.
PR als Teil der Marketing-Abteilung: Kann das funktionieren?
In den letzten zwei Jahren habe ich selten erlebt, dass wir als Agentur Kunden, die ein eigenständiges Kommunikationsteam haben, betreuten. Fast immer lag die Zuständigkeit für die PR innerhalb der Marketing-Abteilung – und wurde entsprechend behandelt: Zu hohe Erwartungen an das Endresultat beim Journalisten (schließlich läuft das Marketing ja auf Anhieb), zu werbliche Aussagen und Backlink-Forderungen (schließlich muss PR ja auch einen sichtbaren Erfolg bringen), zu viele einheitlich, gekoppelte Maßnahmen (schließlich sollen PR und Marketing ja parallele Erfolge bringen).
Ähnlich wie die Messbarkeit von PR ist auch der Stempel als „kleiner Bruder (oder kleine Schwester) des Marketings“ manchmal schwer aus den Köpfen von Kunden zu bekommen. Auch wenn beide Gebiete nach der berühmten Studienbeschreibung „Irgendwas mit Medien“ kommen, unterscheiden sie sich doch gewaltig: Marketing macht durch eine bezahlte Maßnahme auf das Unternehmen aufmerksam, PR nutzt gute Beziehungen, eine starke Story und ein aussagekräftige Spokesperson, um die Reputation von Unternehmen zu steigern. Salopp: Artikel kann sich jeder kaufen – nachhaltiges Standing erarbeitet man sich mittels PR. Das braucht Zeit, Geld, veränderte Messbarkeitsskalen und ein solides Erwartungsmanagement.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass selbst operierende Kommunikationsabteilungen diese Abläufe und veränderten Voraussetzungen besser verstehen als Marketing-Mitarbeiter. Ein Mix aus beiden Welten funktioniert nur dann erfolgreich, wenn sich Marketing-Mitarbeiter auf die Einschätzung der PR verlassen, wie viel Werbung im Artikel zulässig ist – und wann sich Werbung und redaktionelle Ansprachen überschneiden können. Wenn diese Symbiose gelingt, bildet die bereits zusammengelegte Abteilung auch den Erfolg in der Medienlandschaft, kann Erwartungen gerecht werden und zu einer guten Beziehung führen.